Vom 21. April bis irgendwann im Juli (ich weiss noch nicht genau, wann) bin ich im Austausch in Lausanne am Genfersee. Über diese Zeit, in der ich bei der Familie Estevez, deren Tochter Sonia gleichzeitig bei uns wohnt, lebe und das Auguste Piccard-Gymnasium besuche, werde ich hier auf diesem Blog berichten. Viel Spass beim Lesen! :)




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Mittwoch, 25. April 2012

Die ersten drei Tage Schule - Wie es war (oder wie es eben nicht war...)

Heute Nachmittag habe ich keine Schule, und ich werde meine freie Zeit vor meinem ersten Hockeytraining heute Abend nutzen, um die vergangenen Tage (vor allem aus schulischer Hinsicht) ein wenig zusammenzufassen.

Am Montag war mein erster Schultag. Ich bin mit Stéphanie, einer Kollegin von Sonia, die mich am Sonntag schon ein wenig in der Stadt herumgeführt hat, zur Schule gefahren; anschliessend hat sie mich noch ins richtige Zimmer gebracht. Dort wurde ich erst mal komisch angeschaut, die Klasse wusste gar nicht, dass eine Austauschschülerin kommen würde.
Was dann folgte war genau das, wovor ich die ganze Zeit solche Angst gehabt hatte. Ich glaube, mir ging es etwa genau so wie Monika (zurzeit in Uruguay im Austausch): Die Klasse beachtete mich nicht gross, machte sich keine Mühe, mit mir zu sprechen oder mich etwas zu fragen und wartete nach den Stunden auch nicht wirklich auf mich. Ich bin ihnen den ganzen Tag einfach nachgewatschelt und habe immer wieder versucht, Fragen zu stellen, die dann zwar beantwortet worden sind, das war es dann aber auch schon gewesen. Sie sind nicht auf mich zugekommen und haben nicht versucht, mich zu integrieren. Am Mittag musste ich ihnen wieder nacheilen und sie fragen, ob ich mit ihnen essen könne. Dies haben sie zwar bejaht und mir danach zwei oder drei Fragen gestellt, damit hatte es sich aber, und den Rest der Mittagspause habe ich schweigend verbracht, während sie sich amüsiert hatten.
Ich habe mich den ganzen Tag einsam, traurig und überflüssig gefühlt, völlig fehl am Platz.
Zu Hause war ich dann auch dementsprechend deprimiert und weinte vor Verzweiflung.

Auch für den Dienstag hatte Sonia mir jemanden (Leticia aus ihrer Klasse) organisiert, der mit mir zur Schule fuhr, um mir den Weg mit der Metro zu zeigen. Ich habe Leticia im Bus getroffen, und wir haben sofort begonnen, miteinander zu sprechen. An der Metrohaltstelle ist dann noch eine Kollegin, ebenfalls aus Sonias Klasse, dazu gekommen. Mit ihnen habe ich mich extrem wohlgefühlt, und sie haben mir gleich vorgeschlagen, ich solle doch in ihre Klasse wechseln! In der Schule angekommen sind wir dann sofort zur Doyenne (irgendeine Frau, die alles organisiert oder so^^) gegangen und haben sie gefragt, ob das möglich sei. Die gute Frau Doyenne hat es dann innerhalb von weniger als einer Minute geschafft, meine Hoffnung auf Besserung, die sich in mir ausgebreitet hatte, zu zerstören. Nein, das ginge nicht, sagte sie, und zwar aus folgenden Gründen (mit den jeweiligen Gegenargumenten meinerseits):

1. Ich könne nicht in eine erste Klasse gehen (Sonias Klasse ist eine erste), da meine Schule darauf bestanden habe, dass ich in die Zweite komme! 1.) Es gibt hier nur drei Jahre Gymnasium, weshalb die zweite Klasse hier schon weiter ist; sie besprechen nun Dinge, die wir in der Dritten haben werden und ich nicht verstehe und mir nun im Selbststudium beibringen muss!
2.) Ich kann nicht glauben, dass man es der Schule verboten hat, mich in eine Erste zu stecken, da eine Kollegin, die ebenfalls hier in Lausanne ist, einfach an einem anderen Gymnasium, in einer ersten Klasse ist.
2. Überhaupt könne ich noch nicht jetzt wechseln, ich müsse noch zwei Wochen warten, und erst wenn es dann nicht besser sei, könne man nochmals darüber reden. Ich habe nur neun Wochen Schule hier, wenn ich nun noch zwei Wochen warte, habe ich über einen Fünftel meiner Zeit damit verbracht, mich unwohl und alleine zu fühlen!
3. Auch wenn das mit der ersten Klasse gehen sollte, könne ich nicht in Sonias Klasse, da ich das falsche Schwerpunktfach (MathePhysik) gewählt habe. Ich habe ihr erklärt, dass ich jedes Schwerpunktfach nehmen würde, wenn ich in diese Klasse kommen könnte.
Ihre Antwort darauf: 4. Es sei auf gar keinen Fall möglich, mich in Sonias Klasse zu stecken, da es zuviele Schüler sind. Am Anfang des Schuljahres zählte die Klasse 26 Schüler. Nach den Frühlingsferien sind aber drei davon in den Austausch gegangen, weshalb sie mit mir immer noch weniger wären als normal. Ich würde einfach meine Austauschschülerin ersetzen und wäre keine zusätzliche Mühe!

Nun ja, ich habe dann die 20-Minuten-Pause und den Mittag mit Leticia und einigen anderen aus Sonias Klasse verbracht, und sie waren alle total lieb! Sie sind auf mich zugekommen, haben mich Dinge gefragt, mit mir gesprochen und mich miteinbezogen. Ich habe viel gelacht und war zum ersten Mal in der Schule glücklich! Ich habe mich sofort wohlgefühlt bei ihnen und es kam mir vor, als würde ich sie schon viel länger kennen als eine halbe Stunde.

In meiner Klasse hatte es aber keine Änderung gegeben, ich fühlte mich so verloren wie am Tag zuvor. So war ich am Nachmittag und Abend wieder sehr traurig, sodass ich schliesslich Herrn Rizek, den Austauschveranwortlichen aus Wettingen, angerufen habe und ihn persönlich um einen Klassenwechsel gebeten habe. Zusätzliche Gründe, weshalb ich das will:

- Wir haben sieben Stunden Mathematik und fünf Stunden Physik in der Woche. Bei den Themen kann ich jedoch, wie schon gesagt, nicht folgen und muss mir nun "Ableitungen einer Funktion" und solche Dinge selbst beibringen. Aufgrund meiner nicht allzu schlechten Mathefähigkeiten gelingt es mir eigentlich ziemlich gut, doch ich muss ja den ganzen Stoff nachholen, den die Klasse in den letzten weiss-ich-nicht-wievielen Stunden durchgenommen hat, und das ist schon ziemlich anstrengend und nicht genau das, was ich mir vorgestellt habe.
- Ich würde auch in Lausanne weiter den Italienisch- und Spanischunterricht besuchen, vor allem deswegen, weil ich Spanisch als SPF gewählt habe. Das kann ich aber nur, wenn ich nicht MathePhysik habe.

Heute ist es nun ein kleines bisschen besser gewesen, ein Mädchen ist sehr auf mich zugekommen und hat mit mir gesprochen (und ein Junge ebenfalls, der schon am Montag relativ viel mit mir geredet hat). Am Schluss sind sie und zwei andere, die jedoch nicht mit mir gesprochen haben, zu mir gekommen und haben mit ein Küsschen auf die Wange gegeben. Es war eine nette Geste, auch wenn sie hier nicht so viel bedeutet wie bei uns, hier begrüsst irgendwie jeder jeden mit einem Küsschen auf die Wange. Aber es war doch etwas.
Es hat auch noch zwei, drei andere, die noch nett scheinen, aber sie sprechen nicht viel mit mir, weshalb ich mich trotzdem nicht integriert fühle. Zudem sind vier Leute von etwa 21 nicht gerade viel, und wenn sich nicht alle ein klein wenig Mühe geben, wird das nichts werden (und ich glaube ehrlichgesagt überhaupt nicht daran, dass es noch etwas werden wird!).

Die grosse Pause habe ich abermals mit Leticia und einigen aus ihrer Klasse, die gestern nicht da gewesen sind, verbracht, und wieder waren alle so nett und ich habe mich sofort wieder wohlgefühlt!
Momentan ist die Hoffnung, in diese (wie mir von meinem Deutschlehrer berichtet wurde auch von der Lehrergemeinschaft als solche bezeichnete) Traumklasse zu kommen, das, was mich glücklich macht! Ich hoffe nun so unglaublich fest, dass es auch klappt!!! Drückt mir die Daumen!

Und noch zum Schluss: Ich hatte vorhin mein erstes Training (ja, ich habe es nicht geschafft, diesen Monsterblog - ein grosses Sorry dafür - vorher fertig zu schreiben...) mit den Junioren B und C von Stade Lausanne. Wir waren etwa 16, 13 davon Jungs... ;-) Aber die beiden Mädchen (eine davon seit sieben Monaten aus Deutschland hier im Austausch) waren total lieb. Es hat mir für das erste Mal sehr gut gefallen, und ich werde wieder hingehen!

Nächstes Mal werde ich mich (hoffentlich) kürzer halten, aber das musste ich jetzt loswerden!!! An alle, die es bis hier nach unten geschafft haben: Gratulation und dankeschön! :-)
Ich hoffe zudem, dass ich euch das nächste Mal erfreulichere Nachrichten schreiben kann. Hofft mit mir! :-)

Bisous, Delia

Sonntag, 22. April 2012

Ich bin angekommen!

Mein Austausch hat offiziell begonnen. Gestern Nachmittag um circa 14 Uhr sind wir bei meiner Gastfamilie angekommen. Ihre Wohnung befindet sich etwas ausserhalb des Zentrums der Stadt (glaube ich zumindest, ich kenne mich in Lausanne noch nicht aus), weshalb es sehr ruhig ist, was mir nur entgegenkommt. Bis jetzt gefällt es mir überhaupt ziemlich gut; es ist zwar alles sehr ungewohnt und ich fühle mich noch ein wenig wie ein Fremdkörper in dieser Familie, aber sie (Meine Gastmutter, mein Gastvater und meine 13-jährige Gastschwester Kelly) sind alle sehr nett und integrieren mich gut.

Gestern Abend habe ich mit meiner Gastmutter "The Voice - La plus belle voix" geschaut, das französische Äquivalent zum deutschen "The Voice of Germany". Es hat mich erstaunt, dass ich das Meiste ohne grosse Probleme verstanden habe; einige Ausdrücke und Wörter habe ich nicht gekannt, was mich aber nicht daran gehindert hat, den Sinn dahinter zu verstehen! Das hat mich schon ziemlich ermutigt, hatte ich doch Angst gehabt, ich würde hier in der Welschschweiz sitzen und rein gar nichts verstehen... ;-)

Aber wenn wir schon dabei sind, möchte ich noch beim Thema "Fernsehen" bleiben: Eine Sache, die mich hier ziemlich irritiert, ist die Tatsache, dass der Fernseher von morgens bis abends dauerläuft (das nehme ich zumindest an, seit meiner Ankunft ist er nur in der Nacht ausgeschaltet gewesen (wobei ich mir dessen nicht 100%ig sicher bin; als ich zu Bett ging, lief er noch... ;-) )). Auch beim Abendessen hat er uns via Nachrichtenkanal ständig mit mehr oder weniger interessanten Informationen gefüttert und uns somit eine allfällig langweilige Konversation erspart (Wie könnten zwischenmenschliche Gespräche auch spannender sein als ein brabbelndes elektronisches Gerät?! ;-) ). Nein, ich möchte jetzt mit meinen zynischen Worten nicht meine neue Familie angreifen, beleidigen oder ihre Gewohnheiten in Frage stellen (Es war auch nicht ganz so schlimm, einige Sätze wurden schon ausgetauscht...). Es ist einfach etwas, das ich so überhaupt nicht kenne und mich doch sehr irritiert, mich aber auch zum Schmunzeln bringt. Aber ich denke, ich werde mich daran gewöhnen und es am Schluss (wenn auch nicht als ganz selbstverständlich) hinnehmen. (Und zu Hause werde ich dann rasend werden aufgrund der Funkstille meines neuen Dauerbegleiters ^^). So viel zum Thema "Der Röstigraben - Die Unterschiede". Das nächste Mal mehr davon.

Bis dann, Delia :-)

P.S.: Morgen ist mein erster Schultag! Drückt mir die Daumen, ich habe extrem Angst!!! ;-)



Mein wunderschönes Zimmer vom Bett aus fotografiert (Links ist ein Kleiderschrank (Und das, was daranhängt und aussieht wie eine grosse Unterhose oder so ist nur ein Plastiksack^^), noch mehr links wäre ein Bücherregal und danach die Türe)
Mein Zimmer vom Fenster aus fotografiert

Montag, 16. April 2012

Der Countdown läuft!

Meine letzte Woche hier in der Deutschschweiz ist angebrochen. Heute Nachmittag ist Sonia, das Mädchen, bei deren Familie ich für drei Monate leben werde, angekommen. Ihre Anwesenheit lässt das Ganze viel realistischer und näher wirken als bisher.
Meine Gefühle gegenüber meiner Abreise sind gemischt. Vielleicht denkt man sich jetzt, dass ich mich einfach nur freuen müsste, und ja, das tue ich durchaus; dennoch haben sich zweifelnde Gedanken ihren Weg in meinen Hinterkopf gebahnt und verunsichern nun mein sowieso schon nicht sehr gross vorhandenes Selbstbewusstsein. Vor allem der erste Schultag und die Reaktion meiner zuküftigen Klassenkameraden auf meine plötzliche Präsenz in ihrer schon bestehenden Klasse machen mir ein wenig Sorgen. Eine Frage, die mich schon seit Wochen plagt: Wo setze ich mich in der ersten Stunde hin? Bis jetzt habe ich noch keine Antwort gefunden; selbst nachdem ich diverse Austauschschüler als "Erster-Schultag-Experten" zu Rate gezogen habe, bin ich noch nicht so ganz sicher, wie ich diese Aufgabe meistern soll... ;-)
Bis heute Morgen hatte ich auch noch grosse Angst vor einer allfällig schlechten Beziehung mit meiner Gastfamilie. Nachdem ich mir verschiedene Worst-Case-Szenarien mit Ende A) "Ich muss eine neue Familie suchen, da mich meine nicht mehr will" oder Ende B) "Ich werde nach Hause geschickt, da sich keine neue Familie finden lässt" ausgedacht hatte, habe ich heute meinen Gastvater kennengelernt, und er kam so positiv rüber, dass sich praktisch alle meine Zweifel aufgelöst haben! (Ich hatte eine mittelgrosse Krise, da ich dachte, ich müsse jeweils um 22 Uhr zu Hause sein, welche er aber mit einem "Wir geben dir dann einen Schlüssel, und wenn deine Mutter (meine leibliche) keine Zeitangabe macht, kommst du einfach nach Hause, wann du willst! Du kannst machen, was du willst! Du bist schliesslich hier, um dich wohl zu fühlen." sofort behob.)

Naja, jetzt wird es noch einmal stressig, bevor es dann in den Austausch geht. An erster Stelle habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, Sonia ihr "neues Leben" möglichst einfach und angenehm zu gestalten; ich werde ihr Wettingen und die Umgebung zeigen, sie über das Schulgelände führen und allfällige Verständnisschwierigkeiten mit meiner Familie zu eliminieren versuchen.
Apropos Verständnisschwierigkeiten: Ich habe versucht, ihr zu erklären, was "Sächseläuten" ist, und wollte "Brauch" auf Französisch sagen; verzweifelt musste ich jedoch feststellen, dass mir das Wort nicht in den Sinn kommen wollte (Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass ich "coutume" doch auch schon gehört habe... ^^)! Einzig das spanische "costumbre" fiel mir ein, und da Sonia glücklicherweise Spanierin ist, konnte ich ihr schlussendlich doch noch sagen, was ich wollte. Es hat mich aber schockiert und verwundert zugleich, dass mir nach einem Dreivierteljahr Spanischunterricht ein Wort in dieser (unglaublich schönen) Sprache einfällt, das ich auf Französisch nicht weiss! :D

"Du kannst machen, was du willst. Du bist schliesslich hier, um dich wohl zu fühlen." Mein Gastvater

Ich hoffe übrigens, dass ich mit meiner Gastfamilie etwas Spanisch sprechen kann und somit einen 2-in-1-Austausch machen kann, damit ich Fernando Torres auch verständlich machen kann, wie toll ich ihn finde, wenn wir uns dann mal treffen. ;-)
Und falls das nicht klappen sollte, würde es sicherlich auch eine grosse Hilfe im Bezug auf mein Schwerpunktfach in der 3. Klasse sein - Spanisch! :)